Die folgenden Ausführungen sind eine schriftliche Zusammenfassung der im Video dargestellten Inhalte.
Was heißt es, Multiplikation zu verstehen?
Bereits vor Thematisierung der Multiplikation im Unterricht haben manche Kinder erste Vorstellungen davon, was multiplizieren bedeutet, nämlich dass z. B. etwas wiederholt ausgeführt wird. Solche Grundvorstellungen – d. h. mentale Bilder zur Multiplikation, die das Malzeichen mit Inhalt füllen – bilden eine wesentliche Voraussetzung für ein tragfähiges Verständnis der Multiplikation. Diese Vorstellungen der Kinder gilt es daher aufzugreifen und zu verfestigen sowie zunehmend auszudifferenzieren (Götze, Selter & Zannetin, 2019, S. 52).
Für die Multiplikation werden drei zentrale Grundvorstellungen unterschieden. Das „Wiederholen“ als zwar alltagsnahe, aber dennoch nicht sehr tragfähige Vorstellung (Prediger, 2020), das „Zusammenfassen“ und das „Vergleichen“.
Wiederholen
Anna holt alle ihre Bücher. Dafür geht sie dreimal in ihr Zimmer. Jedes Mal trägt sie vier Bücher. Wie viele Bücher holt sie insgesamt?
Tätigkeiten gleichen Umfangs werden wiederholt ausgeführt (zeitlich-sukzessiv).
Zusammenfassen
In einer Getränkekiste sind drei Reihen mit jeweils vier Flaschen. Wie viele Flaschen sind es insgesamt?
Anzahlen gleicher Größe werden gruppiert und deren Gesamtzahl ermittelt (räumlich-simultan).
Vergleichen
Jan hat vier Kastanien gesammelt. Maren hat dreimal so viele Kastanien gesammelt. Wie viele Kastanien hat Maren?
Zwischen Anzahlen oder Größen werden multiplikative Vergleiche hergestellt.
Als zweite wesentliche Komponente bei der Entwicklung eines umfassenden Multiplikationsverständnisses ist die Fähigkeit zum Wechsel zwischen Darstellungen zu nennen. Diese zeigt sich darin, „zwischen […] verschiedenen ‚Sprachen‘ hin- und herübersetzen zu können, also Verbindungen herstellen zu können zwischen konkreten, häufig in Alltagssprache beschriebenen, (Alltags-)Situationen und mathematischen Symbolen und Rechenoperationen“ (Gerster & Schultz, 2004, S. 388).
Unterschieden werden vier Darstellungsformen, zwischen denen Kinder immer wieder flexibel hin- und herübersetzen sollten:
Eine dritte wichtige Voraussetzung für ein umfassendes Verständnis der Multiplikation zeigt sich darin, Beziehungen zwischen Aufgaben erkennen, nutzen und beschreiben zu können, z. B. die Lösung der Aufgabe 8•7 über die Ableitung der leichteren Teilaufgabe 7•7 (Götze, Selter & Zannetin, 2019, S. 55). Auf diese zahlreichen Beziehungen und Strukturen wird genauer im Modul „Sicher im 1•1“ eingegangen.
Warum ist es wichtig, die Multiplikation zu verstehen?
Es ist nicht ausreichend, wenn Multiplikationsaufgaben nur automatisiert wiedergegeben werden können, denn Ziel des Mathematikunterrichts in der Grundschule ist es, Kinder dazu zu befähigen, flexibel und sicher zu rechnen.
Denn es sind differenzierte und umfassende Vorstellungen notwendig, um in verschiedenen Kontexten Aufgaben als Multiplikationsaufgaben zu deuten oder um Multiplikationsaufgaben voneinander abzuleiten, indem sie in Beziehung gesetzt werden (Götze, Selter & Zannetin, 2019, S. 43).
Grundlegend sind diese Vorstellungen auch für das Multiplizieren mit größeren Zahlen, Brüchen oder Dezimalzahlen wichtig. Insbesondere die Einsicht, Multiplikationsaufgaben als das Zählen in Bündeln bzw. das Bilden gleichgroßer Gruppen deuten zu können, ist dabei zentral (Prediger, 2020). Dafür muss gemeinsam mit den Kinder die Konvention erarbeitet werden, dass die erste Zahl in einer Malaufgabe angibt, wie viele gleichgroße Gruppen vorliegen und die zweite Zahl beschreibt, wie groß diese Gruppen sind: Z. B. drei Vierersprünge an einem Zahlenstrahl, drei Viererreihen in einem Punktefeld, drei Vierergruppen von Bonbons oder kurz "drei Vierer" für die Aufgabe 3•4 (Prediger, 2020).
Welche Schwierigkeiten können auftreten?
Gleichwohl der Darstellungswechsel absolut grundlegend für den Aufbau eines tragfähigen Multiplikationsverständnisses ist, lassen sich dabei auch einige Schwierigkeiten beobachten. So fokussieren die Kinder bei der Multiplikation beim Wechsel von einer Darstellung in eine andere häufig unterschiedliche Kriterien (Kuhnke, 2013, S. 265). Für sie passen dann beispielsweise zwei Darstellungen gut zusammen, wenn 1) beide Darstellungen dasselbe Ergebnis haben, 2) in beiden Darstellungen einzelne Elemente gleichermaßen vorkommen (z. B. einzelne Zahlen oder das Operationszeichen) oder 3) in beiden Darstellungen dieselbe Relation zu finden ist (z. B. alle Darstellungen, in die sich etwa "drei Vierer" hineindeuten lassen, unabhängig von der eigentlichen Anordnung) (Kuhnke, 2013, S. 265).
Zu 1) Das Kind ordnet hier der Multiplikationsaufgabe 2•4 ein Bild mit ingesamt acht nebeneinander liegenden Stickern zu. Es fokussiert sich hier lediglich darauf, dass das Ergebnis gleich bleibt (Kuhnke, 2013, S. 166f) und lässt eine Anordnung wie zwei Vierergruppen von Stickern o. ä. vollkommen außer Acht:
Zu 2) Das Kind legt zur Multiplikationsaufgabe 2•4 zwei rote Bonbons, ein grünes Bonbon und vier rote Bonbons nebeneinander und fokussiert dabei nur einzelne Elemente (Kuhnke, 2013, S. 172) wie hier auf den ersten Faktor 2, das Malzeichen und den zweiten Faktor 4 . Die Abbildung von zwei Viergruppen oder das Ergebnis der Aufgabe werden beispielsweise nicht beachtet:
Zu 3) Das Kind betrachtet eine Plättchenreihe mit fünf blauen Plättchen und drei roten Plättchen als passend zur Multiplikationsaufgabe 2•4 und fokussiert demnach lediglich dieselbe Relation (Kuhnke, 2013, S. 180ff), obwohl die Anordnung und Farbgebung der Plättchen hier eher auf die Aufgabe 5+3 hindeuten:
Für ein tragfähiges Multiplikationsverständnis ist es demnach nicht nur wichtig, verschiedenste Darstellungswechsel anzuregen, sondern mit den Kindern auch immer wieder darüber ins Gespräch zu kommen, warum eine Darstellung für sie passt, um Fehler oder zu einseitige Fokussierungen beim Darstellungswechsel zu thematisieren.
Mit welchen anderen Themen hängt dieses Modul zusammen?
Weiterführende Informationen