Die folgenden Ausführungen sind eine schriftliche Zusammenfassung der im Video dargestellten Inhalte.

Was heißt es, ein sicheres und flexibles Stellenwertverständnis zu entwickeln?

Für ein tragfähiges Stellenwertverständnis müssen Kinder den Aufbau unseres dezimalen Zahlsystems verinnerlicht haben und flexibel zwischen verschiedenen Darstellungen einer Zahl übersetzen können. Dafür müssen sie zwischen den Materialdarstellungen, dem Zahlwort, dem Zahlzeichen und der Darstellung in der Stellentafel wechseln können und lernen, diese auch in Beziehung zu setzen.

Schaubild zur Darstellungsvernetzung einer Zahl in 4 Feldern, die mit wechselseitigen Pfeilen miteinander verbunden sind. Oben links: Dienes-Material: 1 Tausenderwürfel, 2 Hunderterplatten, 4 Zehnerstangen, 6 Einerwürfel. Oben rechts: „eintausendzweihundertsechsundvierzig“. Unten links: Stellenwerttafel t = 1, H = 2, Z = 4, E = 6. Unten rechts: „1246“.

Um ein Stellenwertverständnis aufzubauen, müssen Kinder die Einsicht erlangen, dass alle Zahlen mithilfe der zehn Ziffern von 0 bis 9 dargestellt werden können, indem sie verstehen, dass in unserem Zahlsystem folgende Prinzipien gelten:

  • Jede Zahl kann als Ganzes verstanden und in Teile zerlegt oder aus diesen wieder zusammengesetzt werden. Teile einer Zahl können dabei immer als Vielfache einer Zehnerpotenz dargestellt werden (Teile-Ganzes-Prinzip).

  • Immer 10 gleiche Einheiten können zu einer Einheit des nächstgrößeren Stellenwerts gebündelt werden. Das heißt, immer 10 Einer werden zu einem Zehner gebündelt. 10 Zehner werden immer zu einem Hunderter gebündelt, usw. (Bündelungsprinzip).

  • Die Ziffer in der Zahl gibt die Anzahl der Bündel des betreffenden Stellenwerts an, sodass ersichtlich wird, aus wie vielen Einern, Zehnern, Hundertern usw. die Zahl besteht. Beispielsweise setzt sich die Zahl 3.214 aus 3⋅1.000+ 2⋅100+ 1⋅10+ 4⋅1 zusammen. In der Zahl 3214 stecken also 3 Tausender, 2 Hunderter, 1 Zehner und 4 Einer. Je nachdem, an welcher Position eine Ziffer in der Zahl steht, gibt sie also einen anderen Stellenwert an. Wichtig ist, dass, beim höchsten Stellenwert beginnend, jeder niedrigere Stellenwert mit einer Ziffer besetzt sein muss. Ist eine Stelle nicht besetzt, muss im Zahlzeichen eine Null an dieser Stelle notiert werden (Stellenwertprinzip). 

Abbildung zum Stellenwertverständnis. Links: Stellenwerttafel, E = 4, Z = 1, H = 2, T = 3. Rechts: „3 mal 1000“, darunter 3 Tausenderwürfel. „2 mal 100“, darunter 2 Hunderterplatten. „1 mal 10“, darunter eine Zehnerstange. „4 mal 1“, darunter 4 Einerwürfel.

Im Zahlraum bis 1.000 erarbeiten sich Kinder diese Einsichten in das Stellenwertsystem an konkretem Material, zum Beispiel durch Bündelungs- und Endbündelungsaktivitäten mit dem Würfelmaterial. Die Übertragung in die Stellentafel vertieft im Zusammenhang mit dem Würfelmaterial auch auf symbolischer Ebene die Einsicht, aus welchen Stellenwerten die Zahlen bestehen.

Sind die grundlegenden Vorstellungen gefestigt, muss mit den Kindern erarbeitet werden, dass dieses System fortführbar ist, da die genannten Prinzipien auch in höheren Zahlräumen gelten.

An der Stellentafel können dann geeignete Bündelungsanzahlen (z.B. 10 Tausender) Anlass bieten, höhere Stellenwerte zu thematisieren. So können Kinder dabei erkennen, dass wie schon zuvor Hunderter, Zehner und Einer auch fortlaufend gebündelt (10 Hunderter zu einem Tausender oder 10 Tausender zu einem Zehntausender) und entbündelt werden können (z.B. 1 Hundertausender in 10 Zehntausender).

Drei Stellenwerttafeln von Einern bis Hunderttausendern. Tabelle links: H = 10, Pfeil nach links T = 1. Tabelle mittig: T = 10, Pfeil nach links ZT = 1. Tabelle rechts: ZT = 10, Pfeil nach links HT = 1.

Warum ist es wichtig, ein sicheres und flexibles Stellenwertverständnis zu entwickeln?

Ein Verständnis für unser dezimales Stellenwertsystem ist das Fundament zur Orientierung in allen Zahlräumen und ist grundlegend für das Verstehen von Dezimalzahlen, die vor allem in weiteren Lernprozessen, auch in der weiterführenden Schule, eine zentrale Rolle spielen.

Das Zerlegen von Zahlen in Stellenwerte ist zudem bedeutsam, um Rechenwege zu vereinfachen und vorteilhaft rechnen zu können und ist dabei Voraussetzung für ein verständnisbasiertes Ziffernrechnen, das zu einem sicheren Ausführen der schriftlichen Rechenverfahren beiträgt.

Welche Schwierigkeiten können auftreten?

Vor allem wenn Kinder zu ungebündelten Mengen oder unkonventionell dargestellten Zahlen das passendes Zahlsymbol notieren sollen, kommt es häufig zu Problemen. Dabei werden häufig Bündelungen nicht vorgenommen bzw. beachtet, sodass es zu fehlerhaften Darstellungswechseln kommt (Götze, Selter & Zannetin 2019 S. 39).

Eine besondere Herausforderung stellt sich den Lernenden bei der Interpretation von mehrstelligen Zehner- und Hunderterzahlen in der Stellentafel in Verbindung mit der symbolischen Darstellung. So ist es möglich, dass beispielsweise 24 Zehner als Zahl 24 (statt als 240) gedeutet werden, da die zweistellige Anzahl der Bündel suggeriert, dass es sich bei dem Ergebnis ebenfalls um eine zweistellige Zahl handeln muss.

Illustration eines Kindes neben einer Stellenwerttafel mit Z = 24. Gedankenblase des Kindes: „24“.

Solche Fehlvorstellungen müssen aufgegriffen werden. Dabei kann eine bewusste Thematisierung des Bündelungsprinzips, des Stellen- und Zahlenwertes der Ziffern sowie der Besetzung jedes Stellenwertes das Verständnis des Dezimalsystems maßgeblich vorantreiben. Aber gerade diese nicht standardisierten Zahldarstellungen in der Stellentafel können auch dazu beitragen, dass Lernende einen vertieften Einblick in den Aufbau von Zahlen bekommen und über die Anregung zur neuen Deutung dezimaler Strukturen lernen, über diese zu reflektieren (vgl. auch Häsel-Weide & Nührenbörger, 2013; Scherer & Moser Opitz, 2010).

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