Die folgenden Ausführungen sind eine schriftliche Zusammenfassung der im Video dargestellten Inhalte.
Rechenschwierigkeiten vermeiden
Der Begriff der Rechenschwierigkeiten ist weder einheitlich definiert, noch gibt es ein allgemein anerkanntes Diagnoseverfahren.
Aufgrund vielfältiger Erscheinungsformen ist eine differenzierte und individuelle Auseinandersetzung mit den Lernenden besonders wichtig und notwendig.
Grundsätzlich gehören Fehler und Herausforderungen zum Mathematiklernen dazu. Erst wenn sich diese häufen, es dadurch zu einer ständigen Überforderung der Kinder kommt und die Grundlagen für das Weiterlernen nicht vorhanden sind, wird von besonderen Schwierigkeiten gesprochen.
Merkmale von Rechenschwierigkeiten
Vier zentrale Merkmale, die möglicherweise auf Rechenschwierigkeiten hinweisen, können bereits für die Schuleingangsphase bestimmt werden.
Ein tragfähiges Zahlverständnis bildet die Grundlage für das gesamte Mathematiklernen. Ist dies nicht ausgeprägt, kann das Kind zum Beispiel Zahlen nicht mit Bedeutungen verknüpfen, verschiedene Darstellungsformen nicht vernetzen und Beziehungen zwischen Zahlen nicht nutzen.
Ein nicht tragfähiges Operationsverständnis kann daran festgemacht werden, dass die Lernenden noch keine oder nur wenige Grundvorstellungen zu Rechenoperationen aufgebaut haben und die Fähigkeit zur Darstellungsvernetzung noch fehlt. Dies bedeutet, dass sich ein Kind etwa für die Aufgabe 4+3=7 keine konkrete Handlung vorstellen oder kein konkretes Bild malen kann. Auch das Erkennen und Nutzen von Beziehungen zwischen Aufgaben und Rechenoperationen ist für den Aufbau des Operationsverständnisses wichtig.
Für erfolgreiches und verständnisbasiertes Rechen ist ebenfalls ein tragfähiges Stellenwertverständnis von großer Bedeutung. Die Bündelung von zum Beispiel zehn Zehnern zu einem Hunderter und die Bedeutung der unterschiedlichen Stellenwerte bilden eine Grundlage unseres Zahlsystems und müssen für ein gesichertes Verständnis verinnerlicht werden. Wenn beispielsweise die unterschiedliche Bedeutung der Ziffer 2 in der Zahl 23 als zwei Zehner oder in der Zahl 203 als zwei Hunderter nicht verstanden wird, kann es zu Schwierigkeiten beim Rechnen kommen.
Ein verfestigtes zählendes Rechnen stellt das vierte Merkmal von Rechenschwierigkeiten dar. Auch wenn zählendes Rechnen bei Lernenden zu Schulbeginn zunächst eine legitime Lösungsstrategie zur Lösung von elementaren Additions- und Subtraktionsaufgaben darstellt, ist die Ablösung vom zählenden Rechnen im weiteren Lernprozess wichtig (Schipper, 2009, S.107). Denn zählendes Rechnen stellt in höheren Zahlräumen oder auch beim Multiplizieren oder Dividieren keine tragfähige Strategie dar, da es zeitaufwendig und besonders fehleranfällig ist.
Wie kann ein Kind mit besonderen Schwierigkeiten gefördert werden?
Für eine erfolgreiche Förderung ist es von großer Bedeutung, dass diese an den individuellen Kompetenzen sowie an Schwierigkeiten des Kindes ansetzt. Aus diesem Grund sollte Förderung diagnosegeleitet sein, um die unterschiedlichen Lernstände des Kindes erheben zu können.
Dafür ist das grundlegende Verständnis wichtig, das Lernen als einen individuellen Prozess zu verstehen, bei welchem das Kind selbst aktiv Wissen aufbaut und nicht nur auswendig lernt. Ebenso wichtig ist es, eine stärkenorientierte Grundhaltung dem Denken der Lernenden gegenüber einzunehmen, also immer zu versuchen, auch die positiven Aspekte im Denken der Lernenden aufzudecken und nicht nur nach Defiziten zu suchen. So kann einer Ausbildung eines negativen Selbstkonzeptes entgegengewirkt werden, welches z.B. auf die Motivation Einfluss nehmen kann.
Des Weiteren ist es nicht Ziel des Lernprozesses, das Kind zum bloßen Auswendiglernen und der bloßen Orientierung an gelernten Regeln anzuleiten. Denn die Verstehensorientierung bildet einen wichtigen Grundsatz und hat das Ziel, tragfähige, d.h. langfristig verfügbare Vorstellungen aufzubauen, Wissen zu vernetzen und strukturelle Beziehungen zu entdecken und zu nutzen. Dafür ist insbesondere die Handlung am Material von Bedeutung (Kaufmann & Wessolowski, 2017, S.32). Im weiteren Lernprozess ist es wichtig, die verschiedenen Darstellungen von Zahlen und Operationen miteinander zu vernetzen.
Da der Aufbau von Vorstellungen immer auch durch eine sprachliche Auseinandersetzung geschieht, sollte diese ebenfalls gefördert werden. Indem dem Kind Gelegenheiten geboten wird, Beschreibungen, Erklärungen und Begründungen zu mathematischen Zusammenhängen zu entwickeln, wird die Kommunikationsförderung aktiv in den Lernprozess integriert. Auch dies unterstützt den Verständnisaufbau, da es weit über das bloße Mitteilen von Lösungswegen hinausgeht. Gerade Kinder mit Schwierigkeiten brauchen den kommunikativen Austausch.
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